Der Esprit-Effekt: Positionierung schärfen oder abtreten

30. Juli 2024

Die undifferenzierte Mitte in der Modebranche bricht weg. Ein Gastkommentar von Helmut Kosa.

In Österreichs Einkaufsstraßen gehen reihenweise die Lichter aus. Nach den Modehändlern Tally Weijl, Gerry Weber oder Hallhuber hat nun auch Esprit Österreich Konkurs angemeldet. Zuvor kapitulierten bereits die Schuhhändler Salamander und Delka. Wer das allein mit Corona oder der Konsumflaute begründet, ignoriert, dass viele traditionelle Modeketten die Digitalisierung verschlafen haben. In unserer vom Smartphone beherrschten Welt läuft der Kaufprozess vom ersten Impuls bis zum Preisvergleich größtenteils digital ab. Der heimische Modehandel büßte in nur zehn Jahren 86.000 Quadratmeter Verkaufsfläche ein, während der Online-Anteil im Non-Food-Bereich auf fast 50 Prozent kletterte.

Esprit ist ein Paradebeispiel für den Verlust von Markenrelevanz: Denn wofür stand die Marke noch mal? Eben. Das war auch noch gewollt. Der frühere CEO Heinz Krogner bleibt in Erinnerung mit seinem Zitat: „Es gibt nur fünf Farben: Schwarz, Weiss, Beigetöne, Blautöne und Grautöne. Mit allen anderen könne man Akzente setzen, aber nicht reich werden.“ – Das wäre nun offiziell widerlegt. Nach großen Expansionsplänen, Machtkämpfen und vielen Führungswechseln hat Esprit seinen, ja es ist zu aufgelegt, Esprit verloren.

Während Billigketten wie Action oder Tedi zweistellig wachsen und Luxusmarken wie Hermès oder LVMH die Nachfrage kaum bewältigen, bricht die undifferenzierte Mitte weg. Die fehlende Markenpositionierung besiegelte auch das Schicksal von P&C Düsseldorf. Sie bieten nichts, was nicht anderswo in größerer Auswahl und zu besseren Preisen gäbe. Statt sich zu fragen, was Kundinnen und Kunden 2024 wollen, beharrten diese Marken weiter auf alten Mustern. Die Konkurrenz überholte diese traditionellen Marken mit klarer Positionierung und technologischen Innovationen. Führende Modemarken analysieren Nachfragesignale in sozialen Medien und präsentieren ermittelte Trends und Vorlieben ihrer Zielgruppe innerhalb von drei bis fünf Werktagen als Produkte auf ihrer Website. Mit Nachhaltigkeit hat das nichts zu tun. Aber mit Wettbewerbsfähigkeit. Sie nutzen Künstliche Intelligenz, um Kundenpräferenzen optimal zu bedienen und ihre Lieferkette zu optimieren.

Die Hälfte aller Einkaufenden bevorzugt weiterhin, Kleidung und Schuhe vor dem Kauf anzuprobieren. Aber wie lange reicht diese Hälfte aus, um die Infrastruktur des stationären Handels zu finanzieren? Jüngere Zielgruppen suchen gar nicht erst nach den Warengruppen und Kleidungstrends, die die meisten Marken ein halbes Jahr im Voraus ordern. Millennials und die Generation Z informieren sich über Marken am Smartphone. Das bedeutet nicht, dass Läden überflüssig sind. Um eine Marke zu erleben, bleibt es unerlässlich, Materialien „in echt“ zu sehen, zu fühlen und anzuprobieren. Den entscheidenden Unterschied machen Agilität und eine klare Positionierung.

Gastkommentar von Carola Prohaska veröffentlicht am 23.07.2024 auf kurier.at

Fotocredits: APA/dpa/Sebastian Kahnert

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