Klare Positionierung macht Industrie- unternehmen erfolgreicher

26. November 2021

Eine aktuelle Studie von McKinsey & Company zu mehr als 5.300 Industriemarken zeigt, dass die toppositionierten Unternehmen besser performen. Warum eine klare Markenpositionierung gerade auch in Krisenzeiten bei der Erreichung von Transformations- und Wachstumszielen hilft, erklärt Positionierungs-Experte Helmut Kosa, CEO der Wiener Growth Consultancy &US.

Nehmen wir einen industriellen Produkthersteller als Beispiel. Er ist seit Jahren mit einem bestimmten Produkt erfolgreich. Im Zuge der fortschreitenden Digitalisierung und Automatisierung ist er plötzlich von Disruption durch neue Technologien wie 3D-Druck und aggressive Mitbewerber betroffen. Dadurch wird er rund 20 Prozent seines bisherigen Umsatzes einbüßen. Da die Qualität des bisherigen Produkts kaum mehr verbesserbar ist, kann der Hersteller dafür keine höheren Preise verlangen. Dadurch sieht er sich gezwungen, weitere Produkte und Geschäftsbereiche aufzubauen, um neue Märkte zu erschließen und mittel- bis langfristig zusätzliche Umsätze zu generieren. Dabei steht der Hersteller vor mehreren Problemen: Zum einen, dass er aus der Eigeneinschätzung heraus die neuen Geschäftsbereiche nicht genau definieren kann, obwohl dafür genügend Know-how im Unternehmen vorhanden wäre. Zum anderen, dass die Kunden den Hersteller aufgrund der bisherigen Positionierung, die meist rein auf die Herstellung des Produktes bezogen ist, nicht im Zusammenhang mit einem anderen oder neuen Geschäftsbereich wahrnehmen.

 

Unternehmenspositionierung als Basis für Wachstum

Warum also ist eine klare Unternehmens- und Markenpositionierung gerade in Krisen- und Umbruchszeiten auch für Industrieunternehmen höchst relevant, um Problemstellungen wie die oben genannten zu lösen? Zur Beantwortung dieser Frage möchte ich mich auf drei wesentliche Aspekte konzentrieren:

 

  1. Eine klare Positionierung des eigenen Unternehmens und seiner Marke(n) hilft, sich deutlich gegenüber Mitbewerbern abzugrenzen und gezielt bestehende Kunden und Interessenten anzusprechen. Dabei sollten sich Unternehmen wie der eingangs erwähnte Produkthersteller folgende Fragen stellen: Was kann ich wirklich gut und was sind meine Alleinstellungsmerkmale (USP)? Was macht mich im Kern aus und wofür stehe ich? Welches Know-how und welche Fähigkeiten habe ich, um bestimmte Produkte und Dienstleistungen anbieten zu können? Nur wer diese Fragen eindeutig beantworten kann, wird seine eigene Positionierung nach innen und außen richtig leben und überzeugt kommunizieren können.

 

  1. Diese genaue Herausarbeitung und Schärfung der eigenen Markenpositionierung unterstützt Industrieunternehmen zudem dabei, sich und ihr Produkt- und Leistungsangebot weiterzuentwickeln und neue Wachstumschancen zu ergreifen. Unternehmen müssen wissen, was sie gut können und wofür sie stehen, um aus dem Kern heraus wachsen zu können. Erst dann können die nächsten Wachstumsschritte überzeugender angegangen und besser gemeistert werden. Der im Beispiel genannte Produkthersteller könnte auf Basis seiner geschärften Markenpositionierung zum Beispiel strategische Entscheidungen für Investitionen in die Forschung und Entwicklung neuer Produkte treffen. Eine starke Marke würde ihm helfen, sich in weitere Geschäftsbereiche zu entwickeln, wirklich glaubhaft dahinter zu stehen und von seinen Kunden auch in Bezug auf andere Produkte ernst genommen zu werden.

 

  1. Das Um und Auf für das Wachstum jedes Industrieunternehmens sind die richtigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit umfassender Expertise. Wer seine Markenidentität tagtäglich lebt und durch Employer Branding vermittelt, wird nicht nur sein Personal länger binden, fördern und weiterentwickeln können. Es hilft darüber hinaus auch, sich nach außen im Kampf um die heiß umworbenen Fachkräfte und die besten Nachwuchstalente attraktiver zu machen und neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter anzuziehen.

 

Studie zu mehr als 5.300 Industriemarken

Dass eine klare Unternehmens- und Markenpositionierung als Basis für den langfristigen Geschäftserfolg dient und viele Vorteile für nachhaltiges Wachstum bringt, lässt sich auch durch Zahlen untermauern. Eine aktuelle Studie von McKinsey & Company in den USA zu mehr als 5.300 Marken von 900 Industrieunternehmen in zehn Branchensegmenten hat interessante Erkenntnisse gebracht, die sich auch auf Europa und Österreich umlegen lassen. Für die im Januar 2021 publizierte Untersuchung wurde die Präsenz und Sichtbarkeit dieser Industriemarken (Brand Visibility) in Branchenpublikationen und weiteren Medien erfasst, die von Kunden gelesen werden, um sich über Produkte, Systeme und Technologien zu informieren. Zudem floss auch die Entwicklung der Suchanfragen nach diesen Marken in den wichtigsten Online-Suchmaschinen mit ein. Dabei zeigte sich unter anderem:

 

  • Die besten fünf Prozent der mehr als 5.300 untersuchten Industriemarken belegen 95 Prozent der Sichtbarkeit und Erwähnungen in Branchenpublikationen und Medien. Sie können dadurch eine viel stärkere öffentliche Aufmerksamkeit, größere Bekanntheit und ein besseres Image erreichen als die restlichen 95 Prozent der Industriemarken.
  • Die drei führenden Industriemarken in jedem Branchensegment verfügen im Durchschnitt über eine Sichtbarkeit von 60 Prozent. Die Spitzenmarke hat in der Regel eine viermal höhere Sichtbarkeit als der drittplatzierte Wettbewerber.
  • Die toppositionierten Industriemarken können Preisaufschläge von fünf bis zehn Prozent verlangen und eine deutlich höhere Gesamtkapitalrentabilität (RoIC) erzielen als die anderen Unternehmen.
  • Rund 60 Prozent der Industriemarken haben in den letzten fünf Jahren an Sichtbarkeit verloren. 10 Prozent der untersuchten Marken haben ihre Sichtbarkeit im gleichen Zeitraum jedoch um mindestens 50 Prozent gesteigert.
  • Da die öffentliche Präsenz und Brand Visibility mehr Vertrauen in Industrieunternehmen schafft und somit die Entscheidungsfindung der Kunden für Lösungen vereinfacht, treibt es auch die Performance der Unternehmen an und macht die stärksten Marken unter ihnen noch wertvoller.

 

Österreichs Industrie muss zurück auf den Wachstumspfad

Das zu Beginn skizzierte Wachstumsproblem des Produktherstellers stellt sicher keinen Einzelfall dar. Viele heimische Industriebetriebe haben auch verstärkt durch die Covid-19-Krise Veränderungsbedarf, damit sie ihre Geschäftsmodelle auf zukunftssichere Beine stellen können. Sie sind gut beraten, jetzt ihre Unternehmens- und Markenpositionierung auf den Prüfstand zu stellen, um die Voraussetzungen für nachhaltiges Wachstum zu schaffen und langfristig im nationalen und internationalen Wettbewerb bestehen zu können.

Erschienen im New Business Guide „Industrie“ am 19.11.2021

Foto: Christopher Burns /Unsplash

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