So macht man keinen Stich

24. Februar 2022

Die Kommunikation der Regierung zur Covid-Impfung ist nicht ganz nachvollziehbar.

Es gibt doch etwas, das uns über alle Lager hinweg vereint: Wir alle wollen die Pandemie hinter uns lassen und mehr als einen „Freedom Day“. Reichen wir doch mit dieser Aussicht allen 48,3 Prozent der Österreicher, die noch keinen Impfbooster haben, die Hand, wenn wir das nächste Mal Steuergeld in Kommunikation stecken.

Erreiche rund vier Millionen ungeboosterte Österreicher und überzeuge sie von etwas, das viele dieser sehr unterschiedlich angetriebenen Menschen bisher nicht wollten. Wer sich tiefer auf den Kontext dieser kommunikativen Herkules-Aufgabe einlässt, muss sich eingestehen, dass das kein TV-Spot leisten wird können. Egal wie kreativ oder klug er sein mag. So wie das Impfthema hat uns als Zivilgesellschaft schon lange nichts mehr gespalten. Es ist eine Haltungsfrage geworden, ein politisches Statement, das sogar Familien entzweit. Egal, in welche Filterblase wir uns zurückziehen, plötzlich gibt es nur noch Schwarz und Weiß.

Dem setzt die Initiative „Österreich impft“ seit einigen Wochen einen Werbespot entgegen, in dem drei Musketier-Verkleidete mit gezogenem Degen schreiend symbolisch gegen das unsichtbare Virus anlaufen. „Okay, jetzt habt ihr mich vollends überzeugt“, war einer der ersten ironischen Kommentare auf YouTube. Bei erst knapp 18.000 Online-Views für den Spot und TV-Schaltungen nach der „ZiB2“ werden sie zumindest die junge Zielgruppen zielsicher verfehlen. Es geht aber hier nicht darum, die Qualität des TV-Spots zu bewerten, sondern um die nicht ganz nachvollziehbare Kommunikationsstrategie der Regierung. Mit all den Erkenntnissen der vergangenen beiden Jahre gibt es mittlerweile andere Optionen.

Was vielen Versuchen, die Österreicher für die dritte Impfung zu gewinnen, fehlt, sind strategische Überlegungen, wie man schwer zu erreichende Zielgruppen abseits der „TV-Gießkanne“ abholen kann. Wie schon lange gefordert, muss es jetzt um den kleinen Prozentsatz der vielleicht noch impfwilligen Menschen mit ihren individuellen Sorgen und Bedürfnissen gehen. Dafür müssen zielgruppengerechte Lösungen angeboten werden. Das ist nicht mit einem einzelnen Massenspot lösbar, der quasi die eierlegende Wollmilchsau spielen soll.

Eine strategisch durchdachte Kampagne erfordert unterschiedliche Maßnahmen mit zielgruppenspezifischen Themen. Diese können vor allem in Online-Kanälen, in denen die jeweiligen Zielgruppen daheim sind, einzeln ausgesteuert werden. Die Jungen etwa schauen kaum noch lineares TV, sie sind auf TikTok, Instagram oder Discord und vertrauen Influencern, die man als Testimonals einsetzen könnte, mehr als irgendwelchen Virologen. Von Impfmythen Beeinflusste wiederum konsumieren auch ihre speziellen Medien. Das ließe sich auf jede Zielgruppe herunterbrechen. Aber solange weder die Kommunikationsstrategie bis ans Ende gedacht noch die Umsetzung konsequent durchgezogen wird, wird auch die nächste Impfkampagne kaum einen Stich machen.

Erschienen in der Wiener Zeitung am 22.02.2022

Foto: Raghavendra Konkathi /Unsplash

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